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Armut 2.0 – Die soziale Frage ist wieder da

Ich hätte nicht gedacht, daß ich in Deutschland wieder über Armut schreiben muß. Aber es ist die Wirklichkeit der vielen fleißigen kleinen Leute, die so ungerecht behandelt werden.

Und es ist wahr!

Eines der reichsten Länder der Welt sorgt systematisch dafür, daß immer mehr von den Menschen, die in dem System ehrlich arbeiten, immer weniger dafür erhalten und bis zum Lebensende arm bleiben werden.

Diese Ungerechtigkeit macht dann auch immer mehr Menschen kaputt.

Früher war die soziale Frage damit verbunden, daß man Essen, Trinken, eine Wohnung und Hilfe bei Krankheit hatte. Gewerkschaften sorgten für höhere Löhne und der Staat sicherte bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und im Alter so ab, dass man davon leben konnte. Durch Arbeit konnte man sich auch etwas leisten. Das war die Welt der kleinen Leute.

Der Aufstieg war dann der Kauf von teureren Konsumprodukten.

Der Aufstieg des kleinen Mannes außerhalb der Arbeiterschaft war das Berufsbeamtentum. Wer Beamter wurde und wird, erhält viel mehr, ist völlig abgesichert und hat im Alter eine höhere Pension als jeder, der in die Rentenversicherung einzahlt.

Dann kam Hartz4.

Dahinter stand die Ideologie, daß es genug Arbeit für alle gibt und jeder, der zu faul ist, eine Arbeit anzunehmen dafür bestraft werden muß.

Wenn wir nun darauf zurückblicken stellen wir fest, daß dieses Konzept total in die Hose ging. Denn die Arbeitsplätze waren nicht da (dafür sorgten die Politiker nicht) und die neuen Arbeitsplätze in der Zeitarbeit führen nicht mehr dazu, daß man von seiner Arbeit leben kann. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat Hartz4 im Kern für verfassungswidrig erklärt, aber das ist der herrschenden politischen Elite egal.

Seit der Agenda 2010 und Hartz 4 ist es anders. Seitdem wird durch Gesetze dafür gesorgt, daß immer mehr Menschen trotz Arbeit arm bleiben und dies ein ganzes Leben lang.

Dadurch wird natürlicherweise der Glaube an das System, die persönliche Lebensplanung und vieles mehr beeinflußt. Gerade weil die Jobs so unsicher sind, gibt es weniger Kinder bei denen, die arbeiten. Nur bei Beamten ist es umgekehrt. Dort gibt es Kinder ohne Ende. Dies wiederum ist zugleich der Beleg dafür, daß bei sicheren sozialen Verhältnissen auch Babys boomen. Alternativ kann man als junger Mensch nun ohne Arbeit und mit vielen Kindern auch zu relativem Wohlstand kommen in Deutschland.

Nur die, die keine Beamten sind und arbeiten, haben es sehr schwer. Diese Menschen sind eigentlich die Säulen unserer Demokratie, doch werden sie nun bei längerer Arbeitslosigkeit behandelt wie der letzte Mensch und gezwungen, ihre Ersparnisse aufzubrauchen und ihre Altersvorsorge bevor sie überhaupt Leistungen nach dem Arbeitslosengeld erhalten.

Aber es gibt dabei noch eine Dimension, deshalb auch Armut 2.0 weil es eine soziale und eine nationale Frage ist.

Denn in Deutschland erhalten die, die mit ihrer Arbeit dieses System am Leben erhalten, bei Arbeitslosigkeit so viel oder wenig wie anerkannte Asylbewerber, also Menschen, die hierhin geflüchtet sind, erst noch sozialisiert und integriert werden müssen und keinerlei soziale Leistungen in diesem System erbracht haben. Das gibt es so übrigens nur hier, daß Ausländer sofort so viel erhalten wie Inländer und erklärt auch die Fluchtbewegungen nach Deutschland.

Das wird, wenn man sich ähnliche Situationen in anderen Ländern im Rückblick anschaut, sicherlich mittelfristig zu Hass, Mord und Totschlag führen. Aber dies interessiert unsere herrschende politische Elite nicht, die das alles zu verantworten hat und ändern könnte.

So wurde aus einer sozialen Marktwirtschaft eine asoziale Murkswirtschaft und so schaffte man in zehn Jahren die soziale Sicherheit für die kleinen Leute ab und nahm ihnen die Lebensperspektive, weil sie arm bleiben mußten wegen Gesetzen, die sie nicht gemacht hatten und die ihnen jede Chance nahmen, mit anständiger Arbeit und mit staatlicher Unterstützung im Arbeitsleben und danach in Rente ohne Armut zu leben.

Man tat so als ob die Menschen an Arbeitslosigkeit selbst schuld seien, obwohl man ihnen gar keine anständigen Arbeitsplätze anbieten konnte.

Zeitarbeit und Befristungen führen zur Dauerhoffnungslosigkeit und fördern seelische Schmerzen.

Diese Gemeinheiten der Politik feiern die Politiker selbst mit dicken Festen und reden von Modernisierung und Deregulierung. Im Geschichtsbuch der Demokratie wird vielleicht irgendwann stehen, daß es sich dabei um die größten Sozialverbrechen handelte, die die Bundesrepublik nach dem Fall der Mauer erlebte.

Aber das ist noch nicht alles.

In der sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland war ein Kerngedanke, daß das Ziel des Wirtschaftssystems die Stabilisierung der Demokratie ist.

Und Demokratie setzte soziale Sicherheit voraus, um dann auf Augenhöhe über die politischen Interessen streiten zu können.

Wie sieht nun die soziale Wirklichkeit von einem wachsenden Teil der Bevölkerung aus?

Das habe ich alles  in vielen Artikeln beschrieben.

Aber Aufklärung reicht nicht.

Unser Grundgesetz ist gut. Dort steht in Artikel 20GG: „4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Eigentlich ist die Zeit gekommen, um darüber nachzudenken, denn dies ist nicht nur ein Satz sondern eine Aufforderung an die Menschen, für die dieses Gesetz gilt.

Welche Kraft haben Worte?

Ich habe meine Meinung über die aktuellen sozialen Zustände aus historischer und politischer Sicht hier noch einmal aufgeschrieben.

Eine Erfahrung aus der Geschichte ist, daß nichts so bleibt wie es ist.

Eine andere hat Willy Brandt mal gesagt: „Nichts kommt von selbst.“

 

Nachtrag:

Offenkundig ist dieser Artikel nicht unentdeckt geblieben:

Verteilungskonflikte: Die Flüchtlingskrise stellt die soziale Frage neu – DIE WELT

 

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