Veröffentlicht in Alle, Buch

Candide oder die beste aller Welten von Voltaire

„Endlich hatte die Fehd‘ ein Ende; die beiden Könige ließen das Te Deum in ihren Lagern anstimmen. Derweil faßte unser Kandide den Entschluß, in andern Gegenden über Wirkungen und Ursachen zu philosophieren; stieg über die Haufen der Toten und Sterbenden weg und arbeitete sich in einen nahbelegnen Aschenhaufen vom Dorfe herein. Es hatte vor kurzem den Abaren gehört, und die Bulgaren hatten es dem Völkerrechte gemäß abgebrannt. Greise lagen hier, die Wund‘ an Wunde hatten und neben sich ihre zermetzelten Weiber mußten hinsterben sehn, an deren blutenden Brüsten ihre Säuglinge zappelten; dort gaben Jungfrauen ihren Geist auf, deren jegliche einem Halbdutzend Helden ihre Naturbedürfnisse hatte stillen müssen und nachher war entbaucht worden; hier schrien andre, deren Leichnam halbverbrannt war: man möcht‘ ihnen nur den Rest geben. Die ganze Erde war mit Gehirnen übersät und mit Armen und Beinen.“

Damit sind wir in der besten aller möglichen Welten angekommen. „Candide oder die beste aller Welten von Voltaire“ weiterlesen

Veröffentlicht in Alle, Heute

Die Elenden von Anna Mayr

Gut gemacht, gut geschrieben und gut zu lesen. So könnte man Stil und Inhalt des Buches zusammenfassen.

„Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet und sie dennoch braucht“ lautet der Untertitel deses Buches.

Nun also die Kinder.

Als der Kampf gegen Hartz 4 und die Agenda 2010 begann und in den Jahren danach schrieben vor allem die, die es verhindern wollten, über das, was passieren wird.

Und jetzt schreiben die Kinder der Eltern, die politisch gewollt darin aufwachsen mußten. „Die Elenden von Anna Mayr“ weiterlesen

Veröffentlicht in Alle, Zeitgeschichte

Todesmarsch 1945 von Herbert Naumann

„Vom 13. April bis zum 9. Mai 1945 mussten 2400 Häftlinge der Außenstelle Leipzig des KZ Buchenwald einen über 500 Kilometer langen Marsch absolvieren, auf dem 2150 von ihnen ermordet wurden oder vor Erschöpfung starben. Der Fotograf Herbert Naumann hat nach jahrelangen Recherchen den Verlauf dieses Todesmarsches minutiös rekonstruieren können und dabei Berichte von Überlebenden und zeitgenössische Dokumente aufgespürt. „Todesmarsch 1945 von Herbert Naumann“ weiterlesen

Veröffentlicht in Essay

Persönliche Erinnerungskultur und die Rolle der Fotografie heute

Fragen

Wenn ein Haus leergeräumt wird, finden sich oft an den Wänden und in den Schubladen alte Fotos, die keiner mehr will. Diese Fotos hatten für die Besitzer aber einen persönlichen Erinnerungswert.

Wenn heute ein Unternehmen seine Geschichte aufarbeiten will, dann wird ein Historikerbüro beauftragt, das die vorgefundenen Materialien sichtet und daraus ein Buch, eine Webseite oder sonst etwas macht.

Wenn früher ein Foto ausreichte, um die gesamte Kindheit darzustellen und heute allein von dem Baby mehr digitale Fotos auf Handys existieren als je zuvor, was macht man dann damit in zehn Jahren?

Wenn Unternehmen heute zwar Videoüberwachung haben aber Produktion und Verlagerung just in time nur noch die Funktion betonen, welche Rolle spielt dabei dann die Erinnerung?

Diese vier W-Absätze mögen der Einstimmung dienen, um mich dem Thema zu nähern. „Persönliche Erinnerungskultur und die Rolle der Fotografie heute“ weiterlesen

Veröffentlicht in Buch, Zeitgeschichte

Vincent Jarousseau, Die Wurzeln des Zorns

Visual History in seiner besten Form ist in diesem Buch zu finden.

„Aus dem Alltag von Menschen, die in unserer Gesellschaft nicht mehr zählen“ lautet der Untertitel des Buches.

Hier hat ein Dokumentarfotograf ein Buch gemacht, das Fotos mit Grafiken und erzählenden Sprechblasen mischt, eine sogenannte Graphic Novel.

Es ist eine gute Mischung geworden, die das Thema über Fotos viel sichtbarer und einsehbarer macht als es ein Text allein könnte. „Vincent Jarousseau, Die Wurzeln des Zorns“ weiterlesen

Veröffentlicht in Buch

Das verfallene Haus des Islam von Ruud Koopmans

„Wie das Christentum hat auch der Islam in seiner Geschichte viele Gesichter gezeigt, von den schönsten Beispielen der Nächstenliebe bis hin zu den schrecklichsten Formen von Sklaverei und Völkermord. Das Einzige, was sie alle gemeinsam hatten, war, dass sich diejenigen, die diese Wohl- und Gräueltaten vollbrachten, ausnahmslos durch die Heiligen Schriften ihrer Religion legitimiert fühlten.“ „Das verfallene Haus des Islam von Ruud Koopmans“ weiterlesen

Veröffentlicht in Buch, Zeitgeschichte

Eberhard Klöppel, Das Mansfelder Land 1974–1989 Bildband

  • Ich habe hier eine außergewöhnlich gute Perle der Dokumentarfotografie gefunden.

Der Fotograf Eberhard Klöppel hat im Mitteldeutschen Verlag ein Fotobuch veröffentlicht, das am Beispiel des Mansfelder Landes durch Fotos mit großer dokumentarischer Kraft zeigt, wie es war bis zur Wende. Hinzu kommt der Längsschnitt und der Querschnitt durch die Zeit, der dies alles als Gesamtbild erfahrbar macht.

So muß ein dokumentarfotografisches Buch sein, das soziale Fotografie, Zeitgeschehen und das Leben vor Ort über viele Jahre darstellt. Es ist einfach großartig, weil es ungeschönt aber wohlwollend zeigt, wie es eigentlich gewesen ist.

Wenn Fotos noch eine dokumentierende Funktion haben, dann ist sie hier zu sehen.

Rückblickend ist dieses Buch aber noch viel mehr. Es ist eine detailreiche und spannende visuelle Geschichte über das Leben in der DDR.

„Eberhard Klöppel, Das Mansfelder Land 1974–1989 Bildband“ weiterlesen

Veröffentlicht in Alle, Bergisches, Essay

Bergisches Protokoll oder hinter dem medialen und digitalen Nebel ist immer noch die Klassengesellschaft

Nach dem Ende des Sozialismus galt Marx als überholt, weil Menschen nun mal den Widerspruch leben – obwohl auch die Umstände mitentscheiden.

Marx steht u.a. für folgende Aussage: „Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln! “

Und Freiheit? „Bergisches Protokoll oder hinter dem medialen und digitalen Nebel ist immer noch die Klassengesellschaft“ weiterlesen

Veröffentlicht in Alle

Antisemitismus heute Michael Wolfssohn im Gespräch

„Wenn Medien, Politiker und Stammtisch sagen, die größte Gefahr komme von rechts, kann ich das historisch und psychologisch verstehen. Denn der Holocaust, der bekanntlich von Rechtsextremisten – also den deutschen Nationalsozialisten – verübt worden ist, war kein muslimisches und auch kein linkes Phänomen.“ „Antisemitismus heute Michael Wolfssohn im Gespräch“ weiterlesen

Veröffentlicht in Buch, Heute

Die drei wichtigsten Bücher unserer Zeit in Deutschland

Jede Zeit hat ihre Chronisten und Geschichtsschreiber. Zeitgeist und Zeitgeschichte in Büchern zu finden ist da nicht immer möglich. Aber aktuell gibt es drei Bücher, die zusammen zeigen, wie unser Zeitgeist aussieht, was uns gerade bestimmt und was bei uns geschehen ist.

  • Was bestimmt unsere Zeit,
  • was ist in den Köpfen der politisch denkenden Menschen,
  • was bestimmt das Handeln der politischen Klasse bei ihrem Eigennutz noch,
  • was bewegt die Menschen vor Ort wirklich?

„Die drei wichtigsten Bücher unserer Zeit in Deutschland“ weiterlesen

Veröffentlicht in Bergisches

Von Wupperseiten zu Wupperlens – ein visuelles Bergisches Geschichtsbuch

Sichtbares und Gesehenes festzuhalten ist die Aufgabe eines selbsternannten visuellen Chronisten. Der ständige Wandel der äußeren Umstände ist Kennzeichen unserer sichtbaren sozialen Welt. Die unsichtbare Welt mit ihren Herrschaftsstrukturen wird dabei teilweise sichtbar. „Von Wupperseiten zu Wupperlens – ein visuelles Bergisches Geschichtsbuch“ weiterlesen

Veröffentlicht in Alle, Zeitgeschichte

Die fotografische Inszenierung des Verbrechens. Ein Album aus Auschwitz

„Mit der Fertigstellung des Krematoriums III in Auschwitz Birkenau Ende Juni 1943 waren dort sämtliche Mord- und Verbrennungsanlagen funktionsfähig, die zusammen mit dem alten Krematorium in Auschwitz I 4756 Menschen am Tag einäschern konnten. Stolz benachrichtigte Karl Bischoff, Leiter der Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz, Hans Kammler über die „Leistung“ und Daten der Anlagen: 1440 Leichen pro Krematorium II und III sowie 768 Leichen pro Krematorium IV und V.“

Dieser kleine Textausschnitt von Seite 30 des Buches von Tal Bruttmann, Stefan Hördler und Christoph Kreutzmüller zeigt, was für eine Tiefe und Detailgenauigkeit die Autoren an den Tag legen. „Die fotografische Inszenierung des Verbrechens. Ein Album aus Auschwitz“ weiterlesen