Deutschland stellt sich politisch gerade neu auf.
Wie schon früher so lohnt sich auch heute ein Blick in aktuelle Gesetze, um zu verstehen, was in einem Land so vorgeht.
Daher möchte ich den §130 aus dem Strafgesetzbuch StGB zitieren:
„(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, dera)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.“
Das Bundesministerium der Justiz kommentiert die Neufassung auf einer eigenen Webseite.
Auf lto.de werden die Umstände des „Omnibusverfahren“ beschrieben.
„Aus Wissenschaftlerkreisen wird eine inakzeptable Beeinträchtigung ihrer Forschungstätigkeit, also ein zu weitgehender Eingriff in das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) gerügt. Konkret: ein Historiker könne nicht mehr ohne Strafbarkeitsrisiko seine Forschungsergebnisse veröffentlichen, wenn diese die Feststellung enthielten, dass ein bestimmtes historisches Ereignis entgegen der in Politik, Justiz und Gesellschaft vorherrschenden Ansicht kein Völkermord oder kein Kriegsverbrechen gewesen sei. Hingewiesen wird des Weiteren auf Gefahren für die Demokratie durch Beschränkung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Die Äußerung vom „Mainstream“ abweichender Meinungen werde mit der Androhung von Strafe unterdrückt.“
Deshalb habe ich diesen Text ausgewählt und hier auf ihn aufmerksam gemacht.
Der Autor ist Prof. Wolfgang Mitsch. Er führt in diesem Text weiter aus:
„Für Liebhaber sprachlicher Eleganz und Klarheit, Eigenschaften, die auch juristische Texte und sogar der Wortlaut von Gesetzen haben können, ist § 130 StGB nicht gerade ein Leckerbissen. Mit den schon länger existierenden Bestandteilen der Norm hat man sich abgefunden und deren Struktur und Inhalt halbwegs erfasst, sodass das Verstehen des neuen Absatzes an sich gelingen sollte. Indessen muss der Verfasser des vorliegenden Textes gestehen, dass er das Gestrüpp der Strafbarkeitsvoraussetzungen noch nicht ganz durchschaut und immer wieder aufs Neue zum Lesen ansetzen muss, um zu begreifen, was alles Einfluss auf Strafbarkeit nach dieser Norm hat. Die Deliktsbeschreibung ist äußerst komplex, das mit Worten gezeichnete Tatbild flimmert vor dem Auge des Betrachters, dessen Beschäftigung mit dem Strafrecht mehr mit Mord und Totschlag, Diebstahl und Betrug als mit Volksverhetzung zu tun hat. Die Tatbestandsmerkmale sind teilweise sehr unbestimmt („gröblich“) und stark der Wertung des konkreten Rechtsanwenders anheimgegeben. Ohne die systematischen Hilfsmittel der wissenschaftlich fundierten Tatbestandslehre wäre es schwierig, Ordnung und Übersichtlichkeit in die Fülle der Strafbarkeitsvoraussetzungen – zu denen übrigens auch die des § 86 Abs. 4 StGB gehören, vgl. § 130 Abs. 8 StGB – zu bringen. Mit diesem Rüstzeug soll im Folgenden der objektive und der subjektive Tatbestand des neuen Delikts analysiert werden.“
Ich kann nur empfehlen dort weiterzulesen. Der Autor dort endet nach sehr interessanten Ausführungen u.a. mit den Worten: „Der Verfasser kann die Aufregung über die neue Strafvorschrift nicht teilen, vielleicht weil er sich abgewöhnt hat, von der Politik gute Gesetze zu erwarten. Ein gutes Gesetz ist der ganze § 130 StGB nicht und der neue Absatz 5 auch nicht. Aber von einem „legalistischen Staatsstreich“ zu sprechen, wie der Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate es in einem Beitrag für das Magazin „Cicero“[26] tut, ist zu heftig. Der Normtext ist „schwammig“ und ein merkwürdiges Wort wie „gröblich“ erzeugt zunächst einmal ratloses Kopfschütteln. Insoweit hat Herr Strate völlig Recht. Die !Strafvorschrift dient aber nicht der „Kriminalisierung des politischen Gegners“ und sie hat auch nicht den Zweck irgendjemanden „mundtot“ zu machen. Das bezweckt in einem Rechtsstaat, der die Bundesrepublik ohne jeden Zweifel ist, kein Strafgesetz. Ob mit § 130 Abs. 5 StGB die Staatsanwaltschaften wirklich „alle Hände voll zu tun bekommen“ werden und sich auf dieser Grundlage eine „Gesinnungsjustiz“ etablieren wird, bleibt abzuwarten.“
Bitte lesen Sie den gesamten Text von Herrn Mitsch. Ich wollte ihn bewußt nicht paraphrasieren, weil das nicht klappen kann, sondern habe lediglich einige Schlaglichter aus dem Text zitiert, um Appetit auf alles zu machen.
Aber es geht ja noch weiter: „ Die Justiz, so lehrt die historische Erfahrung, wird früher oder später in der politischen Schlagseite ihrer Interpretationen immer dem aktuellen Geist der Regierenden folgen.“
Der ergänzt dies hier und erweitert den Horizont.
Es wird interessant sein zu beobachten wie sich dies nun weiter entwickelt.
Ein Kommentar zu „Politische Justiz im neuen Deutschland oder §130 StGB ist nicht gerade ein Leckerbissen“