Veröffentlicht in Alle, Zeitgeschichte

USA und Deutschland oder die Kontrolle des Vasallen

„Wie ich im letzten Kapitel dieses Buches erläutert habe, haben die USA ab 2008 ihre Absicht aufgegeben, die Welt militärisch zu kontrollieren. Ihr begrenztes, aber lebenswichtiges Ziel ist seit diesem Zeitpunkt, so denke ich, die Aufrechterhaltung des nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Imperiums: die Kontrolle über Westeuropa (heute erweitert um die ehemaligen Volksdemokratien), über Japan, Südkorea und Taiwan. Die Konzentration der industriellen Ressourcen des Westens ist dort heute spektakulär. Das Ungleichgewicht innerhalb der Handelsbilanz des »gemeinsamen Westens« zwischen Amerika und dem [von ihm] beherrschten Teil (405 Milliarden Dollar im Jahr 2023) ist relevanter als das zu China (279 Milliarden Dollar). In der Kontrolle der Vasallen entscheidet sich das materielle Überleben der USA. Nun würde das Erreichen der russischen Ziele in der Ukraine, gefolgt von einem Ausbleiben der russischen Expansion in Europa–»Was? Es gab keine Bedrohung, wir haben die Ukraine umsonst unterstützt!«–zu einem Zerfall der NATO führen. Das würde vor allem dazu führen, dass die große amerikanische Angst wahr wird: die Versöhnung zwischen Deutschland und Russland. Der Krieg muss aus Sicht der USA weitergehen, nicht um die ukrainische »Demokratie« zu retten, sondern um ihre Kontrolle über Westeuropa und Ostasien aufrechtzuerhalten.“

Aus: Der Westen im Niedergang: Ökonomie, Kultur und Religion im freien Fall von Emmanuel Todd

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