Ein Hauptergebnis der industriellen Revolution besteht … in der Vernichtung von Arbeitsplätzen. Zuerst wurde einfache, dann qualifizierte Handarbeit überflüssig. Das Gros der freigesetzten Arbeitskräfte wanderte von der Landwirtschaft zur Industrie und später in den Dienstleistungsbereich. Jetzt unterliegt auch dieser zunehmend der Automatisierung. Darüber hinaus erledigen intelligente Maschinen geistige Routinearbeit und unterstützen Managementaufgaben. In absehbarer Zukunft wird jegliche Arbeit in den Händen weniger Höchstqualifizierter liegen.
Das führt zu massenhafter Arbeitslosigkeit, welche die Gesellschaft ökonomisch und sozial destabilisiert. Eine der zentralen gesellschaftlichen Funktionen der Arbeit besteht darin, sozial zu integrieren. Man suchte Abhilfe in der Umverteilung der Arbeit. Um 1930 empfahl der englische Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell: „Wenn der normale Lohnempfänger vier Stunden täglich arbeitet, hätte jedermann genug zum Leben und es gäbe keine Arbeitslosigkeit.“
Bei den noch Beschäftigten zeigen sich unterdessen die Folgen der veränderten Bedingungen. Zeitarbeitsfirmen entsenden ihre Angestellten … in ein immer wieder neues soziales Umfeld… Aber der ständige Zwang zum Neuen deformiert die Persönlichkeit… Neben solchen eher langfristigen Auswirkungen der veränderten Arbeitsbedingungen treten andere sehr schnell in Erscheinung.
Der Rhythmus der Arbeitsabläufe entfernt sich immer weiter vom natürlichen Rhythmus des Menschen und führt zu vermehrtem Stress. So vergrößert zum Beispiel ein höheres Arbeitstempo die Ungeduld. Menschen, die gewohnt sind, vom Computer mittels Datenbankabfrage schnelle und präzise Auskünfte zu erhalten, erwarten Entsprechendes auch von menschlichen Partnern. Kommt dann ein Mitarbeiter, Kunde oder auch ein Familienmitglied nicht schnell genug zur Sache, reagieren sie gereizt und ungeduldig…. Das Modell der Industriegesellschaft als Ganzes hat faktisch ausgedient…. Aber leider existieren außer immer neuen Schlagworten kaum Ansätze zum bewussten Gestalten der Zukunft…. Die Mehrheit aller heute in den industrialisierten Ländern Lebenden betrachtet Zeit als eingeteilte, knapp bemessene Sache. deshalb leidet unser aller Dasein unter realen oder eingebildetem Zeitmangel, steht unter Dauerstress.“
Aus: Hans Lenz, Universalgeschichte der Zeit