Veröffentlicht in Altertum, Damals

Die Öffnung der Welt von Angelos Chaniotis

„Eine Globalgeschichte des Hellenismus“ will der Autor schreiben und es gelingt ihm. Sein neuer Blick auf eine alte Zeit wird zu einer faszinierenden Reise in unsere Gegenwart, die bis zur letzten Seite klug und scharfsinnig ist.

„Die radikale Demokratie, wie sie im 5 Jhrdt. in Athen existiert hatte, …. erfuhr im Laufe des 4. Jhrdts. beträchtliche Modifizierungen….. Während eine äußerst vage Vorstellung von demokratia zum Ideal erhoben wurde, unterschied sich gleichzeitig die konkrete institutionelle Bedeutung des Wortes von Stadt zu Stadt und von Epoche zu Epoche. „Demokratie respektieren“ wurde zu einem Schlagwort, das eine Vielzahl von Interpretationen zuließ. Die Bedeutung von demokratia veränderte sich allmählich von „Volksherrschaft“ – Herrschaft der Bürger ohne Berücksichtigung von Vermögen und Herkunft, hin zu „Volkssouveränität“ – Souveränität der Bürgerschaft in erster Linie gegenüber externen Interventionen. Diese semantische Verschiebung erlaubte es, dass selbst Städte, in denen viele Bürger von politischen Ämtern, politischer Teilhabe und politischen Initiativen ausgeschlossen wurden, als demokratiai angesprochen wurden.“ (161)

Aktueller kann der Umgang mit Geschichte und der Blick auf die Gegenwart wohl kaum sein.

So bietet uns Angelos Chaniotis ein Buch mit klugen Gedanken, kompetenter Darstellung der geschichtlichen Entwicklungen von Alexander bis Hadrian und ermöglicht uns einen Blick in den Spiegel der Geschichte, um uns in ein Verhältnis zum früheren Geschehen zu setzen.

Wir diskutieren heute das, was damals schon aktuell war. Wir probieren heute unter unseren Bedingungen das aus, was immer schon dominierte: Ungerechtigkeit und Rache, Macht und Herrschaft, Neid und Besitz, Krieg und Frieden und vieles mehr.

Daß Herr Chaniotis ein Buch geschrieben hat, welches bewußt auch auf die Welt heute wirken soll, wird an vielen anderen Stellen deutlich, von denen ich eine zitieren will: „Wir wird ein Historiker der Zukunft die Fahrkarten des New Jersey Transit interpretieren? Der Text auf diesen Tickets informiert den Fahrgast, dass er das Recht auf einen Sitzplatz hat, unabhängig von seiner Rasse und Hautfarbe, seinem Geschlecht, seiner Nationalität oder Religionszugehörigkeit. Ein Historiker der Zukunft wird feststellen, dass dieser Text, gerade indem er die Diskriminierung verdammt, anerkennt, dass es sie gibt.“

Ein tolles Buch zur Nutzung von Geschichte in der Gegenwart!

Nichts Menschliches ist ihm fremd und selbst Menschen, die als Götter verehrt wurden, zeigt er in ihrer conditio humana:

„Im Herbst 324 v. Chr. starb Hephaistion, Alexanders Kindheitsgefährte, engster Freund und Liebhaber – es handelte sich um eine homoerotische Beziehung, wie sie für die griechische Gesellschaft der archaischen Zeit typisch war.“

Polygamie und Homoerotik bestimmen die Menschheit bis heute ebenso wie damals und die Diskussionen darüber sind heute wie damals geprägt von kulturellen und religiösen Traditionen zwischen Stigmatisierung und Legalisierung.

„Moderne Zeiten“ sind eben genau so relativ wie alt und neu als Etikette.

Meine Rezension könnte nun so lang werden wie das Buch dick ist.

Aber ich denke, diese Zeilen reichen.

Was soll man über dieses Buch noch schreiben, das ermöglicht die Gegenwart in einer Demokratie heute durch Blicke in die Geschichte zu entdecken.

Es ist einfach großartig aktuell.

Wie schreibt der Verlag?

„Es war Alexander der Große, der die Grenzen nach Osten, bis ans Ende der Welt, bis nach Indien öffnete. Mit ihm begannen nicht nur das lange Zeitalter des Hellenismus, sondern auch die Vernetzung großer Teile Europas, Asiens und Nordafrikas und damit die Globalisierung. Doch wie ging es weiter?

Der Historiker Angelos Chaniotis erzählt in seinem Buch die Geschichte zweier Epochen, die sonst meist getrennt voneinander behandelt werden: das hellenistische Zeitalter und die frühe römische Kaiserzeit. So zeigt er, wie sehr die Kultur der Griechen die darauf folgenden Epochen weit über die Zeit der altrömischen Kaiser hinaus prägte:

  • die spannende Geschichte eines kosmopolitischen Zeitalters: von Alexander dem Großen (334 v. Chr.) bis zu dem römischen Kaiser Hadrian (138 n. Chr.)
  • Chaniotis bricht in seinem Referenzwerk mit der traditionellen Epochengliederung der Alten Geschichte
  • kenntnisreicher Überblick über Kaiser und Provinzen, Könige und Stadtstaaten, Bürger und Religionen
  • brillante Darstellung einer folgenreichen Epoche der europäischen Geschichte

Globalisierung, Metropolen, Innovationen – ein neues Bild der griechischen Antike

Mit seinen Eroberungen schuf Alexander zwar kein Weltreich von Dauer, dafür aber die Voraussetzungen für die Entstehung eines politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Netzwerks, das buchstäblich die gesamte damals bekannte Welt umfasste. Die Entstehung von Metropolen, Weltbürgertum und Lokalpatriotismus, technologische Innovationen und neue Religionen wie das Christentum, aber auch soziale Konflikte und Kriege gehören zu den Kennzeichen dieser Welt.

Globalisierung, Mobilität und Multikulturalität – die Fragen, die die alten Griechen beschäftigten sind auch heute noch von großer Bedeutung. Wer das Wesen der Globalisierung mit all seinen positiven und negativen Folgen verstehen will, der sollte mit diesem ausgezeichneten Sachbuch sein erstes Auftreten in der Alten Geschichte erkunden!“

Es ist bei WBG Theiss erschienen.

Chaniotis, Angelos
Die Öffnung der Welt
Eine Globalgeschichte des Hellenismus

ISBN 978-3-8062-3993-5

 

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