Veröffentlicht in Buch, Zeitgeschichte

Von großen Brüder und falschen Freunden von Silke Betscher

In Unterhaltungsmedien funktioniert die Manipulation besonders gut. Dies zeigt uns Silke Betscher in ihrem Buch über illustrierte Zeitschriften im Nachkriegsdeutschland. Es sind allerdings nur vier Zeitschriften.

Der vollständige Titel des Buches lautet „Von großen Brüdern und falschen Freunden. Visuelle Kalte-Kriegs-Diskurse in deutschen Nachkriegsillustrierten“.

Ist Textlogik argumentativ und Bildlogik assoziativ? Daraus ergibt sich bei der Autorin die „visuelle Diskursanalyse“ als Methode des Buches.

Daniel Krause meint dazu: „Visuelle Diskursanalyse“ wirft zahlreiche Fragen auf, und Betscher bringt wertvolle Klärungen an. Ein eigenständiges Kapitel ist „methodologischen Reflexionen“ gewidmet. Glücklicherweise erspart es dem Leser jene Grundsatzdebatten, die Dunkelheit des Ausdrucks als Tiefe des Gedankens missdeuten. Betschers methodische Betrachtungen sind bodenständiger Natur, wenngleich sie modischen Jargon um „Intermedialität“ zumindest zitieren.“

Und auch andere Rezensenten mögen dieses Buch.

Und es stimmt. Wenn man wissen will, was medial versucht wurde, in die Köpfe der Menschen zu schütten, dann ist dies ein Beitrag dazu. Weil es aber viel mehr Zeitungen und Medien gab, wäre die Frage zu stellen, welche Medien waren dominant und erzeugten die wichtigsten Bilder in den Köpfen? Das kann erst beantwortet werden, wenn alle Medien untersucht worden sind und in einer gemeinsamen Methodik dann das gesamte Forschungsfeld unter dieser Fragestellung mit eindeutigen Kriterien untersucht wird.

Ob das jemals geschehen wird steht in den Sternen.

Insofern ist der hier erstellte Ausschnitt das, was wir haben und wissen – nicht mehr und nicht weniger.

Das Buch ist im Klartext-Verlag erschienen.

Silke Betscher
Von großen Brüdern und falschen Freunden
Visuelle Kalte-Kriegs-Diskurse in deutschen Nachkriegsillustrierten
lieferbar, erschienen am 13.11.2013
420 Seiten, zahlr. Abb., Broschur, 39,95 €
ISBN: 978-3-8375-0736-2

 

Veröffentlicht in Buch, Europa

Von Erinnerungsträgern zu Trägern der Erinnerung – Fotos erzählen Alltagsgeschichte zwischen Pontlevoy und Alfeld

Geschichtsschreibung hat nicht nur etwas mit Schreiben zu tun. Gerade bei Fragen des Lebens sagt ein Bild oft mehr als tausend Worte.

Ich möchte hier auf zwei Bücher eingehen, die sehr unterschiedlich und doch sehr gleich sind.

Louis Clergeau war Uhrmacher und Fotograf in dem Ort Pontlevoy. Dort fotografierte er schon vor dem Ersten Weltkrieg und tat dies bis 1936.

So entstand das Bild vom Leben in einer Kleinstadt, dessen Momente der Fotograf festhielt und die seinen Blick und seine Auswahl wiedergeben.

Heute ist das Street Museum fester Bestandteil des Ortes, um die Geschichte zu zeigen und Besuchern auch visuell darzustellen, was dort ist und was dort war.

Fotografisch ist die „Strassenfotografie“ im weiteren Sinne von Louis Clergeau also ein Glücksfall für den Tourismus und für die Kultur- und Alltagsgeschichte des Ortes gewesen.

Geschichtsbewusstsein entsteht im Kopf oft erst durch die Chance, das zu sehen, was früher war.

Fotos ermöglichen dann in den jeweiligen Bereichen den Vergleich und ermöglichen auch Bewertungen.

  • War früher alles schlechter,
  • wie hat man das damals geregelt,
  • warum lebte man früher so?

Im Prinzip ist dies alles aber dem Zufall zu verdanken, der anhand der Lebensgeschichte eines Fotografen und seiner Tochter dem Ort dieses fotografische Gedächtnis zufallen ließ.

Und dem glücklichen Umstand, daß die Doofheit nicht siegte und dies alles entsorgte sondern die Trägheit die entscheidende Kraft war, die zum Glück das Bewusstsein wachsen ließ, sich damit doch näher zu beschäftigen.

Genau so ein Geschenk hat die Stadt Alfeld (Leine) erhalten. Im Buch „Eine Stadt auf Fotopapier“ wird das Leben in dieser Kleinstadt von 1947 bis 1994 gezeigt.

Zwei Fotografen, Vater und Sohn, hielten es fest.

Nach ihrem Tod waren die Fotos fast schon weg. Auch hier waren es mehr als glückliche Umstände: „Die ersten Abzüge segelten schon durch das offene Fenster in den Müllcontainer, da informierte jemand den Kreisheimatpfleger, der die Bilder rettete, auf dem Dachboden einlagerte und ordnete.“

Damit möchte ich an dieser Stelle das Denkmal für den unbekannten Informanten einfordern.

Nur diesem ist es zu verdanken, daß überhaupt eine sachkundige Person wie der Kreisheimatpfleger eingeschaltet wurde und wir heute überhaupt über Alfeld und Püscher schreiben können.

Digital wäre es damit wohl schon vorbei gewesen. Aber die Aufarbeitung mit Förderung ermöglichte es nun, diese fotografische Geschichtsschreibung zugänglich zu machen.

Man hat der Stadt dadurch einen Teil ihres Gedächtnisses zurückgegeben und der Nachwelt zugänglich gemacht. Und dies in sichtbarer Form.

Der Alltag bestimmt das Leben.

Wohnen, Kaufen, Feiern sind aber Ausdruck der Verhältnisse, in denen man steckt.

Und so sieht man in den Fotos das, was in Alfeld war – und ist?

Beide Bücher zeigen durch die festgehaltenen Blicke der Fotografen das Leben in der jeweiligen Stadt.

Fotografen schreiben die Geschichten fotografisch auf. Sie sind weder die Chronisten noch die Journalisten. Sie waren in diesem Fall die visuellen Geschichtsschreiber, die durch ihre Sicht festhielten was sie sahen und wo sie waren. Sie stellten die Motive der Fotos zusammen und hielten so den Zeitgeist fest.

Und auch für Alfeld ist die Sammlung Püscher offenkundig nun ein Hort der Kreativität geworden, der die gesamte Szene mit Heimatkunde, Lokalgeschichte und Nostalgie nach dem Alten belebte.

Geschichte  bietet also mehr als nur den Blick zurück. Sie ist Quelle für Tourismus und Identität, sie schafft Welten und ermöglicht Blicke auf Zusammenhänge. Sie hilft die Gegenwart zu verstehen und das Leben interessant zu machen.

Ich persönlich bin erstaunt wie „gleich“ französische und deutsche Portraits wirken bis tief ins 20. Jhrdt. hinein. Man betrachte bloß einmal Porträts von August Sander im Vergleich zu denen von Clergeau.

Das näher zu betrachten wäre aber einen anderen Artikel wert.

Damals gab es noch keine EU aber vielleicht mehr Europa im Sinne gemeinsamer Fundamente in Kultur und Religion jenseits der Wunden politischer Kriege als heute.