„Die Macht des Heeres war die Macht der Heerführer, die immer wieder ihre Stellung mißbrauchten, um als Imperator oder Gott-Kaiser an die oberste Spitze zu gelangen.
(Moral: Das Heer hätte, wie in der guten alten Zeit, ein Bürgerherr sein müssen, geführt von loyalen Bürgern, nicht ein Heer teils von Söldnern, teils von widerwillig Hineingezwungenen, teils sogar von Nicht-Römern, von Germanen.)
Der Größe des Heeres entsprach die Schwere der Steuerlast. Die Steuern wurden zum größten Teil von den Armen getragen, nicht von den Reichen, die Mittel und Wege fanden, ihnen zu entgehen.
(Moral: Ohne ein gerechtes, wirksames Steuersystem läßt sich kein Reich, keine Gesellschaft sich verteidigen, am allerwenigsten in gefährlichen Zeiten, wie das 4., das 5. Jahrhundert für Rom waren.)
Teils an sich selber, weil jeder Beamte seine Kinder mit hineinschleuste, teils an den immer komplizierter werdenden Aufgaben der Verwaltung schwoll der Körper der Bürokratie an zu erstickendem Gewicht; mit um so bösartiger Wirkung, weil die Bürokratie unterbezahlt war und folglich auf Bestechung und, wo sie konnte, auch Akte grausamer Willkür sich angewiesen glaubte.
(Moral: Die Beamtenschaft einer entwickelten Gesellschaft muß zahlenmäßig in vernünftigen Grenzen gehalten werden; als Stand bedarf sie eines besonderen Pflicht- und Ehrgefühls.)
Inmitten eines übersteuerten, überverwalteten, durch innere Unordnung und äußere Feinde bedrohten Gemeinwesens zogen die Reichen sich auf ihre Besitzungen wie auf Festungen zurück; wenn sie nicht gar ihr Vermögen weislich nach Ostrom, nach Konstantinopel und Anatolien verschoben, wo man einstweilen sich noch sicherer fühlen konnte.
(Moral: Verraten die Reichen die große Mehrheit ihrer Landsleute, dann verraten sie auf die Dauer auch sich selber; durch zynischen Egoismus können sie sich nur für kurze Zeit retten.)
In der aus dem Osten stammenden christlichen Religion, seit Konstantin Staatsreligion, walteten die allerverschiedensten Motive. Eines von Ihnen war staatsverneinend, diesseitsverneinend. Es führte zu den Lebensweisen des Einsiedlers in der Wüste, des Mönchs in eng geschlossenen, ausschließender Gemeinschaft, des passiven Rebellen, der das nahe Weltende erwartend, den Pflichten des Bürgers sich entzog.
(Moral: Religion ist dem Menschen natürlich und lebenswichtig. Sie darf ihn aber nicht so weit beherrschen, daß er über ihr die Aufgaben dieser unserer Welt ignoriert und verachtet. Andernfalls wird es zuletzt sogar seiner Religion übel ergehen.) …
Und so folgt ein Beispiel für schädliche Konflikte nach dem anderen….“
Aus: Golo Mann in seinem Vorwort zu dem Buch von Michael Grant „Der Untergang des Römischen Reiches“
Ein Kommentar zu „Der Niedergang Europas“
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