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Bergisches Protokoll oder hinter dem medialen und digitalen Nebel ist immer noch die Klassengesellschaft

Nach dem Ende des Sozialismus galt Marx als überholt, weil Menschen nun mal den Widerspruch leben – obwohl auch die Umstände mitentscheiden.

Marx steht u.a. für folgende Aussage: „Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln! “

Und Freiheit?

Freiheit allein ist nichts anderes als eine Einladung an die gerade Herrschenden, ihrer Gier grenzenlosen Lauf zu lassen. Das haben wir ja nach dem Mauerfall erlebt, der noch nie so viel Reichtum und so viele Arme wie aktuell in Deutschland hervorgebracht hat.

Und Einschränkungen der Freiheit werden dann meistens für die Beherrschten umgesetzt und nicht für die Herrschenden, weil die Herrschenden und die Regierenden meistens eine Schnittmenge bilden.

Als ich vor einiger Zeit einen Rückblick auf die Ausgrenzungen in meinem Leben vornahm, fragte ich mich, wieso ich immer verhindert wurde. Ich war intelligent (IQ 138), kritisch, lernbegierig, anpassungsbereit und flexibel. Aber ich war auch immer irgendwie ich und wenn mir was nicht passte, weil es ungerecht war, dann wies ich darauf hin.

Aber das war es nicht allein. Als es für Kinder aus armen Verhältnissen Stadtranderholung gab und ich auch dorthin kam in den ersten Tenniskurs meines Lebens, da stellte sich heraus, daß die Söhne und Töchter der Mitglieder des Tennisvereins schon in der Stadtranderholung waren. Als ich meinen Tennisschläger für 14 Mark von meinem Vater erhielt, war ich total stolz aber in der Stadtranderholung sagte man mir dann, ich könne nicht spielen, weil der Schläger die Anforderungen nicht erfülle.

Oder anders. Mein Vater verdiente ca. 800 Mark im Monat und mein Klassennachbar hatte eine Lederjacke für 900 Mark und hing diese locker draussen hin. Meine Welt waren Schuhe von Deichmann oder von meiner Oma aus der DDR, weil dort die Salamanderschuhe produziert wurden. Die Anderen trugen adidas. Armut war immer dabei und im Reichtum der Anderen besonders deutlich.

Aber ich glaubte an den Aufstieg des kleinen Mannes mit Fleiß, Kompetenz, Qualifikationen und Können, machte alle Abschlüsse und beendete mein Universitätsstudium. Leistung lohnt sich hatte ich mir gedacht.

Ja das hatte ich mir so gedacht!

Ich lernte 1968 gerade lesen und glaubte später daran, daß es einen Aufbruch gab. Meine Eltern schickten mich auf die höhere Schule, weil Willy Brandt die Arbeiter aufgefordert hatte, ihre Kinder auf die höhere Schule zu schicken, ein Gymnasium.

An einem der ersten Tage lasen wir in Latein einen Satz, der aus Hauptwort und Tuwort bestand. Zumindest war dies meine Antwort als mich der Lehrer Baus fragte, was dies für Wörter wären. Daraufhin stellte er sich vor mich und sagte, Kinder die nicht mal wüßten, daß dies ein Substantiv und ein Verb wären, hätten hier nichts zu suchen. Mit dem ganzen Mut des kleinen Kindes vor dem ein dickbäuchiger Studienrat stand und von oben herabguckte, erwiderte ich, ich dachte, ich sei hier um das zu lernen. Verächtlich drehte er sich um und einige Mitschüler lachten. Wie man sieht, habe ich dies nie vergessen, Anfang der 5. Klasse.

Wahrscheinlich wollte ich es nicht wahrhaben aber das ist Klassenkampf.

Gegen meine 2 in der Abiturklausur in Geschichte legte ich Einspruch ein und stellte fest, sie war schlechter bewertet worden, weil ich beim Thema Kalter Krieg darauf verwiesen hatte, daß die Russen nicht allein daran schuld waren. Ich hatte damals vorher ein Buch von Wilfried Loth zum Thema gelesen, das als dtv Taschenbuch erschienen war. Daraufhin mußte ich zum Direktor und der erklärte mir, das hätte es noch nie gegeben, ich würde aus der Abiturwertung falle, wenn ich meinen Einspruch aufrecht erhalte und dies gehe dann ins Schulkollegium nach Düsseldorf, wo er ja auch drin sei. Das könnte alles noch mehr verschlechtern. Im Übrigen wisse er, wie die Russen sind, weil er am Kriegsende Flakhelfer gewesen sei. Den Rest kann man sich denken…

Mein damaliger Geschichtslehrer ist heute in Pension und dick im Bergischen Geschichtsverein. So geht Wirklichkeit.

Ich war natürlich auch naiv oder brav, man sagte auch gut erzogen. Damals wollte ich eigentlich Landarzt werden. Aber dafür mußte man ein Einser-Abitur haben. Als mein Schulfreund und ich uns in der Oberstufe mal beschwerten, wieso auf dem Ernst-Moritz-Arndt Gymnasium die Schüler mit denselben Prüfungen bessere Noten erhielten als auf dem Leibniz-Gymnasium, erhielten wir als Antwort, daß eine Zwei auf dem Leibniz wie eine Eins auf der EMA sei. Als ich dann mit meinem Zeugnis Arzt werden wollte erklärte man mir, mein Notendurchschnitt sei nur Zwei. Da sagte ich an der Uni, das sei ja egal weil eine Zwei am Leibniz so gut wie eine Eins auf der EMA sei – ich glaube der Uni-Mitarbeiter hat selten so gelacht. In dem Moment fiel es mir erstmals wie Schuppen von den Augen. Aber so war ich manipuliert worden und weil ich aus einer Familie kam, die keinerlei Bande an die Uni oder die beamteten Lehrer hatte, nahm ich deren Worte für wahr – zumal damals weder Handy noch google vorhanden waren, sondern bestenfalls Fotokopien…

Das ist aber nicht nur lustig, sondern zeigt auch wie verantwortungslos, manipulativ und gemein die beamteten Lehrer an diesem Gymnasium vorgegangen sind. Aber sie haben im Sinne der Herrschenden ihr Ziel erreicht: die kritischen Köpfe wurden ausgegrenzt – und mein Schulfreund sprang sogar von der Müngstener Brücke.

Ich sattelte dann um auf Jura und Geschichte, BWL/VWL und Germanistik sowie Pädagogik und entschloß mich letztlich Lehrer zu werden als Aufstieg des kleinen Mannes ins Berufbeamtentum. Also machte ich meine Abschlüsse und dann kam der nächste Knall. Dr. Keil vom Prüfungsamt teilte mir mit, wenn ich mit den Prüfungen fertig sei, solle ich mich auf eine Umschulung einstellen, weil die nächsten zehn Jahre keine Lehrer eingestellt werden. Das war die Belohnung dafür, daß ich knapp zwei Jahre Deutschland gedient hatte. Die Frauen aus meiner Schule, die nicht dienen mußten, wurden noch übernommen, weil sie zwei Jahre früher fertig waren. Wieder hatte ich alles gemacht, alle Prüfungen absolviert und dann grenzte mich die Politik in NRW wieder aus.

Weil ich parallel dazu als freier Programmierer arbeitete, wollte ich dann meine Lernsoftware weiter aufbauen. Also ging ich zur Sparkasse und bat um 20.000 DM für Betriebsmittel, das war damals ein PC mit einer Festplatte und zwei Laufwerken und etwas Geld für Werbung. Da lachte man mich aus und sagte, ich hätte ja keine Sicherheiten. Ich zeigt ihnen, daß ich schon 30.000 Exemplare verkauft hatte und ein guter Weg vor mir lag. Wieder erfuhr ich, gute Ideen werden nicht gefördert. Danke Stadtsparkasse Remscheid!

Dann wollte ich ein Stipendium von der Friedrich-Ebert-Stiftung für eine Doktorarbeit. Dort bewarb ich mich und erfuhr dann, daß ich trotz Projektskizze und guter Vorarbeit erst mal ein Jahr selbst daran schreiben mußte, bevor ich mich wieder bewerben konnte. Als ich Dr. Witt fragte, wie denn das gehen soll – ich kann nicht gleichzeitig arbeiten und promovieren -, steckte er sich eine Zigarette am Tisch an, blies mir den Rauch ins Gesicht und zuckte mit den Schultern. Das war´s.

Ich konnte nicht mehr und wußte nicht weiter und brauchte Geld zum Leben.

Ein guter Bekannter von der Uni nahm mich mit an eine private Wirtschaftsschule, in der ich dann Arbeitstechnik, kaufmännisches Rechnen, Vertragsrecht etc. unterrichtete, um dort das Geld zu verdienen für meine anderen Projekte. Aber daraus wurde nichts. Nach gut einem Jahr war ich dort Schulleiter. Nun mußte ich Menschen fördern und fordern, heute nennt man das Coaching. Hinzu kamen organisatorische Aufgaben und Kostenrechnung.

Damals schrieb ich parallel dazu mein erstes historisches Buch und begab mich über ein Jahr in meiner Freizeit in Stadtarchive, weil ich gerne etwas forschen wollte.

Ich glaubte immer noch an die Kraft von Wissen und Qualifikationen und an die Vernunft.

Aber dann kam der ganz normale deutsche Wahnsinn und fegte die vorletzten Illusionen weg.

In den folgenden Jahren schulte ich fast alle fertig ausgebildeten Lehrer um, die mit mir studiert hatten. Aus qualifizierten Pädagogen wurden Kaufleute und Steuerfachgehilfen. Das war Deutschland.

Ich war viele Jahre blind, da ich mittendrin war und die Brille der Manipulation so fest saß.

Ich glaubte noch an Leistung und Können.

Als die SPD und die Grünen dann unter dem Jubel der CDU/CSU und der FDP mit der Agenda 2010 die Bildung rückwirkend entwerteten und die fleißigen und ehrlichen Menschen zu Verlierern der Globalisierung machten, war auch mein Schicksal besiegelt. Damit wurden mir die letzten Illusionen genommen. Der Ehrliche ist der Dumme und der Qualifizierte der Blöde.

Der Weg bis zum Abnehmen der Brille dauerte letztlich fast 40 Jahre und ist immer noch nicht zu Ende.

Im Jahre 2018 wurde mir dann so richtig klar, was wirklich wahr ist. Damals untersuchte ein Reporter vor Ort Personen, die schon 1968 aktiv waren. Mir wurde bewußt, wie die realen Strukturen sind, die auch eine Erklärung für mein Leben und mein Scheitern im landläufigen Sinne waren:

„Wenn man von heute auf damals zurückblickt, dann kann man auch sehen, wie wenig sich an den Strukturen geändert hat. Geld regiert die Welt. Wer erfolgreich heute zurückblickt, war damals schon privilegiert und wer bis heute kämpft, mußte damals schon kämpfen. Der Aufstieg des kleinen Mannes ist fast immer nur das Beamtentum.“

Und nun fällt mir ein Buch von 1968 in die Hände, die Bottroper Protokolle von Erika Runge, in dem Martin Walser einen kurzen Artikel schrieb mit der Überschrift „Berichte aus der Klassengesellschaft“.

Hier steht alles das, was ich in mehr als 50 Jahren bis 2018 erleben und verarbeiten mußte, bevor mir klar wurde, mit welchen Lügen bis heute die Propaganda der Herrschenden die Beherrschten einlullt.

„Auch die schlimmsten Liberalen haben heute nichts mehr dagegen, daß Arbeiterkinder studieren, daß die nach bürgerlichen Maßstäben besonders Begabten überlaufen dürfen, um die bürgerliche Gesellschaft zu nähren und selber dafür aufgenommen zu werden ins privilegierte Bürgertum.. Er ist mit Annehmlichkeiten gesegnet…. Und die bürgerliche Regel fördert die Ungleiheit, sie belohnt und bestraft… In der Theorie … nennt sich das Bürgertum demokratisch, human… Die Berichte der Leute aus Bottrop heben diesen bürgerlichen Anspruch auf… Da die Mehrheit des Volkes aus Arbeitnehmern besteht, wäre die SPD wohl eher Volkspartei geworden, wenn sie Arbeiterpartei geblieben wäre. Aber die SPD hält das deutsche Volk offenbar für eine unveränderbar rechtskonservative Masse, also läuft sie über und gibt sich her für den stillsten Staatsstreich unserer Geschichte, den man die Große Koalition nennt.“

Diese Sätze stammen von 1968.

Mein endgültiges Aha-Erlebnis war von 2018. Die Zwischenstationen finden sie in meinen Blogs und Büchern.

Da habe ich einen Artikel über die „Vergessenen“ geschrieben, weil ich mich darin wiederfand.

Das Unbewußte drang nach oben.

Irgendwie wehrte ich mich innerlich immer dagegen, das zu sehen, was wirklich war in meinen sozialen Umständen. Vielleicht deswegen, weil es so schwer ist anzunehmen, daß man von Anfang mit Lügen aufwuchs, die nichts anderes waren als der Versuch, dich davon abzuhalten, dieselben Chancen zu bekommen wie die, die von Anfang an privilegiert waren und über die Netzwerke verfügten, die ihre Privilegien stabilisieren und andere destabilisieren und ausgrenzen – oder die, die nie Probleme damit hatten sich anzupassen und den Mund zu halten, egal weshalb.

Wenn man das erkennt, muß man das erst mal verdauen und nicht daran sterben. So ist dann die eigene Lebenszeit fremdbestimmt und die Erziehung hat dich manipuliert und dich zu einem Wesen gemacht außerhalb von dir selbst.

Als ich vor vielen Jahren das Buch „Die kleine Sorgenfibel“ publizierte war mir dieser Zusammenhang mental klar, aber er drang nicht in mich ein.

„Obwohl Erziehung heute doch eigentlich heißt, Wege zu sich und anderen zu finden, sind Sie von sich weg erzogen worden. Als Sie dann erzogen waren, war ihr Selbst weg und das Gefühl der Ohnmacht da. Sie fühlten sich irgendwie noch nicht bei sich, leer, einsam, nur hat Ihnen das natürlich niemand erklärt. Denn dadurch daß wir uns von klein auf an die Bedürfnisse unserer Eltern anpaßt haben, haben wir natürlich auch ein „falsches Selbst.“

Und dann war da der Kampf ums Überleben, der mir gar keine Chance gab, ich selbst zu sein, wenn ich über die Runden kommen wollte.

Letztlich fasste dies alles – neben meinem eigenen Erleben und dem Leiden – David Yalom sehr schön zusammen: „Oft schon wurde festgestellt, daß drei wichtige geistige Umwälzungen die Idee von der zentralen Stellung des Menschen bedroht haben. Als Erster demonstrierte Kopernikus, dass die Erde nicht der Mittelpunkt ist, um den sich alle anderen Himmelskörper drehen. Als Nächster zeigte uns Darwin, dass wir keine zentrale Rolle in der Kette der Evolution spielen, sondern wie alle anderen Geschöpfe aus anderen Lebensformen entstanden sind. Und drittens erklärte uns Freud, daß wir in unserem eigenen Hause nicht die Herren sind – ein Großteil unseres Verhaltens werde von Kräften ausserhalb unseres Bewusstseins beherrscht. Es besteht kein Zweifel daran, dass Freuds verkannter Mitrevolutionär Arthur Schopenhauer war, der schon lange vor Freuds Geburt postulierte, dass wir von tiefgreifenden biologischen Mächten gesteuert werden und uns dann einbilden, wir hätten unser Schicksal bewusst gewählt.“ (339)

Ich konnte dies alles mental nur auflösen durch Albert Camus. Ohne hin würde ich wohl nicht mehr sein. Seine Tagebücher fand ich mit 16 in einem Ramschkorb und ab dem ersten Wort waren sie Labsal für meine Seele.

„Das Elend hinderte mich, zu glauben, daß alles unter der Sonne und in der Geschichte gut sei; die Sonne lehrte mich, daß die Geschichte nicht alles ist.“

Das waren die Sätze, die mich immer wieder trösteten. In meiner Auseinandersetzung mit ihm rang ich um Leben und Existenz.

Und nun?

Nun lebe ich mit der Erkenntnis, die Spartakus bei Arthur Koestler ausgesprochen hat:

„So wunderbar die Gabe des Wissens ist, so wenig hat sie doch Macht über das Geschehen.“

Man kann die Matrix nicht komplett verlassen, ohne so zu enden wie Hans A. Pestalozzi.

Aber man kann erkennen, was hier möglich ist und was nicht.

Die Gretchenfrage ist dann, wie man dies als sein eigener Lebensversuch löst.

Hier würde nun die Stelle mit der Analyse anfangen, aber Aufklärung nutzt dann doch fast nichts.

Nur so viel:

„Wenn Institutionen instabil werden, führt das zu einem allgemeinen Disziplinabbau, der für die niedrigeren sozialökonomischen Klassen nachteiliger ist als für die höheren. Das liegt daran, daß sozial Schwache in solchen Fällen nicht wie Mitglieder der Oberschicht auf die sozialen Verbindungen ihrer Gesellschaftsklasse zurückgreifen können und auch nicht über deren Selbstdisziplin verfügen.“

So erklärt sie quasi im Nebensatz warum der Verlust des „Wir“-Gefühls und damit der Verlust der Arbeiterklasse zum wachsenden Einfluß der Oberklasse führt, die von schwierigen Zeiten u.U. sogar noch profitiert.

Das Soziale ist unser Schicksal und das Asoziale unsere Herausforderung. Wenn man aber von denen politisch verraten wird, die man wählt, dann bleibt eigentlich nur die Revolution. Aber es macht ja keiner mit, weil man lieber Aufseher der Sklaven wird als die Sklaverei abzuschaffen. So ist die Revolution eine Illusion.

Nachtrag ein paar Wochen später:

Wenn ich auf diese Zeilen blicke, dann stelle ich fest, daß es auch eine Abrechnung mit der alten Bundesrepublik ist. Während die Abrechnung mit der DDR seit dem Mauerfall immer wieder thematisiert wird, findet die Abrechnung mit der Bundesrepublik wohl erst jetzt statt wie bei mir, nachdem wir in einem anderen Deutschland sind und manches klarer wird. Am Schlimmsten war wohl der Verrat der SPD und der Grünen an den kleinen Leuten. Die Herrschenden und Mächtigen haben gewonnen, die Regierenden tanzen nach ihrer Pfeife, sie machen nur Gesetze, nach denen sie machen können was sie wollen und die Meinungsfreiheit ist weitgehend wirkungslos, weil sie einflusslos ist.

Ich bin ein Deutscher, der seine Kultur liebt, sein Land und die Völker um uns herum. Aber da man echten Reichtum vererben kann und es Zinsen für Geld gibt, geht es den kleinen Leuten immer an den Kragen und sie können höchstens in einer Garage hausen aber nicht darin reich und berühmt werden. Ich habe meine Staatsexamenarbeit über die Entstehung des Grundgesetzes geschrieben, genauer die verfassungspolitischen Vorstellungen der Parteien im Kontext der Alliierten. Dieses historisch-juristische Thema hat mich auch dazu geführt, unser Grundgesetz zu schätzen und die Grenzen darin. Aber das ist ein anderes Thema.

Übrigens hat Bertolt Brecht dies viel früher erkannt.

Nun kommen wir zur Alternative. Seit der Einführung der Gesamtschulen können wir sehen, daß nichts besser wurde sondern stattdessen lediglich Chancen durch Noten anders verteilt wurden. Die eine Ungerechtigkeit wurde also durch eine andere Ungerechtigkeit abgelöst aber mehr Fairness entstand nicht außer den zusätzlichen Chancen für Spätzünder.

Parallel hat sich aber auch das System der Privatschulen weiter etabliert, die eigentlichen Träger der Ausbildung der Herrschenden. So hat sich ohne Umverteilung lediglich die Art und Weise in seinen eigenen Kreisen zu bleiben angepasst.

In den staatlichen Schulen werden heute nach Etiketten – Migrationshintergrund, Frau, Android – Gelder und Chancen verteilt und es wird unglaublich viel Murks mit den Inhalten betrieben.

So ist eigentlich alles beim Alten geblieben, nur eben angepasst an die neue Zeit.

Was wäre denn eine Alternative?

In den real existierenden Strukturen bis hin zu China und Afrika bereichern sich die herrschenden Cliquen privat ganz ungemein.

Sollen wir neue Menschen schaffen oder sollen wir auf der Grundlage der Realität ein System schaffen, das den Charakter des Menschen berücksichtigt und mit Mechanismen Oligopole ebenso beseitigt wie die alleinige Berücksichtigung der Interessen internationaler Konzerne etc.?

Wollen wir das überhaupt?

Ich glaube daran, daß ein System mit gegenseitigen Kontrollen und direkter Demokratie wie in der Schweiz die richtige Richtung ist – nicht nur aber auch. Aber dazu gehören natürlich auch Pflichten wie Volksarmee etc.

Ich glaube auch daran, daß in Ländern wie Österreich, den Niederlanden und Schweden die Politik ihre eigene Bevölkerung noch echt absichert gegen die Lebensrisiken, während in Deutschland Armut per Gesetz verordnet wurde und Fleiß und Bildung abwertend im Sozialsystem sind. Auch das könnte man hier also verbessern.

Wir machen unsere Gesetze nämlich selbst.

Aber wer außer den kleinen Leuten hat daran ein Interesse?

Umgekehrt – wer von den kleinen Leuten hat daran ein Interesse?

So ist die Gegenwart, die ich sehe und jetzt sind Sie dran.

 

Nachtrag am 3.7.2020:

Wenn man die Umstände außer acht läßt und rein neoliberal die Schuld allein bei sich sucht, dann kann man so einen Artikel auch als Lebenslauf des Scheiterns einordnen wie ich jetzt gelesen habe. Es ist der Weg, der versperrt war. Über den Weg, den man dann ging, ist damit ja noch nichts gesagt: „Denn auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts“, das wusste schon Max Planck.“

 

Ein Kommentar zu „Bergisches Protokoll oder hinter dem medialen und digitalen Nebel ist immer noch die Klassengesellschaft

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