Veröffentlicht in Essay

Arbeit führt wieder zu Elend – wenn man aus der Geschichte nichts lernt

„Aber wessen Dasein Arbeit heißt, dessen Ende ist immer Elend.“

Das schrieb Erich Grisar 1932 und wir dachten in der Bundesrepublik, daß wir diesen Zustand überwunden hätten. Doch dann kam die Sozialdemokratie und führte gemeinsam mit den Grünen unter dem Jubel von CDU und FDP die Armut wieder ein.

Neoliberalismus war das Zauberwort, das freie Fahrt für die Asozialen bedeutete und alles Soziale vernichtete.

Eines der reichsten Länder der Welt sorgt nun systematisch dafür, daß immer mehr von den Menschen, die in dem System ehrlich arbeiten, immer weniger dafür erhalten und bis zum Lebensende arm bleiben werden.

Diese Ungerechtigkeit macht dann auch immer mehr Menschen kaputt.

Früher war die soziale Frage damit verbunden, daß man Essen, Trinken, eine Wohnung und Hilfe bei Krankheit hatte. Gewerkschaften sorgten für höhere Löhne und der Staat sicherte bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und im Alter so ab, dass man davon leben konnte. Durch Arbeit konnte man sich auch etwas leisten. Das war die Welt der kleinen Leute.

Der Aufstieg war dann der Kauf von teureren Konsumprodukten.

Der Aufstieg des kleinen Mannes außerhalb der Arbeiterschaft war das Berufsbeamtentum. Wer Beamter wurde und wird, erhält viel mehr, ist völlig abgesichert und hat im Alter i.d.R. eine höhere Pension als jeder, der in die Rentenversicherung einzahlt.

Dann kam Hartz4.

Dahinter stand die Ideologie, daß es genug Arbeit für alle gibt und jeder, der zu faul ist, eine Arbeit anzunehmen dafür bestraft werden muß.

Wenn wir nun darauf zurückblicken stellen wir fest, daß dieses Konzept total in die Hose ging. Denn die Arbeitsplätze waren nicht da (dafür sorgten die Politiker nicht) und die neuen Arbeitsplätze in der Zeitarbeit (die vorher feste Dauerarbeitsplätze waren) führen nicht mehr dazu, daß man von seiner Arbeit leben kann. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat Hartz4 im Kern für verfassungswidrig erklärt, aber das ist der herrschenden politischen Elite egal.

Seit der Agenda 2010 und Hartz 4 ist es anders. Seitdem wird durch Gesetze dafür gesorgt, daß immer mehr Menschen trotz Arbeit arm bleiben und dies ein ganzes Leben lang.

Und durch die Flüchtlingskrise wird nun der nächste Schwachpunkt von Hartz 4 deutlich.

Menschen, die hier nie gearbeitet haben und hier wohl nie arbeiten werden, können über größere Familien mehr an Geld erhalten als sie je durch Arbeit verdienen könnten – ohne zu arbeiten.

Ein banales Beispiel zeigt die Dimension. Wer in einem Industriebetrieb arbeiten will, muß die Schilder im Betrieb lesen können, die Unterweisungen verstehen und die Arbeitsabläufe. Wer das nicht eindeutig und sicher kann, darf gar nicht eingestellt werden, sonst macht sich auch der Unternehmer strafbar. Oder im Bereich der Pflege, wo es um Menschen geht. Dort sind noch mehr Deutschkenntnisse und auch polizeiliche Führungszeugnisse wichtig – oder lassen sie irgendwelche Fremden, die nicht wissen, was sie ihnen geben sollen, einfach in ihren Intimbereich?

Deshalb muß man ja in Kanada z.B. Englisch sicher können, sonst kriegt man weder Arbeit noch Geld und darf auch  nicht bleiben.

Aber bei uns kriegt derjenige, der nie sicher deutsch sprechen wird, dann trotzdem Geld und kann hier nach seinen eigenen Vorstellungen leben, die er mitbringt.

Eine Fachfrau hat das so beschrieben: „Und schließlich gibt es die Desinteressierten, mehr oder weniger ungebildete Männer und Frauen, die dankbar von Sozialhilfe leben und ihren ausländischen Verwandten vorschlagen, ebenfalls nach Europa zu kommen und dieses Angebot wahrzunehmen. Sie sehen keinen Grund zu arbeiten, weil die ihnen offenstehenden Jobs, simple, monotone Tätigkeiten, kaum mehr einbringen als die Sozialleistungen, die sie beanspruchen können.“

Das ist – kurz gefaßt – das gesamte Problem, welches auch die Naivität der handelnden Politik zeigt. Ich frage mich, von welchem Planeten die stammen, die das nicht sehen – oder sehen wollen – oder vielleicht doch wissen und trotzdem anders handeln?   Hmmmm…

Bleiben wir bei denen, die hier sozialversichert arbeiten und arbeitslos werden. Diese leben und erleben nun fast schon dasselbe soziale Absterben wie damals.

Dazu gehört übrigens auch das Renteneintrittsalter. Das ist der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit. Wer weiß, er/sie kann mit 60 bis 63 in Rente, der/die wird auch Kinder kriegen und für Enkel sorgen, weil es noch eine Zeit für die Familie mit mehreren Generationen gibt. Wer aber bis 67 oder noch länger arbeiten soll in unsicheren Arbeitsverhältnissen, der wird dies eher nicht tun, wenn er mit Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit und Leistungswillen aufgewachsen ist.

Und wenn diese Menschen nun länger die entmutigenden Widersprüche unserer Politik am eigenen Leib erleben, werden sie sich wahrscheinlich ändern.

An diesem Punkt treffen sich sozial dann irgendwann Desinteressierte, Asylanten und hier geborene Akademiker sowie arbeitslose Jugendliche. Denn wer jung ist, wird mit Abschluß heute oft genug nur in einen befristeten Arbeitsvertrag gesteckt, also in Zeitarbeit. Akademiker und Ungelernte haben dabei oft fast identische Schicksale, weil sie sich von Befristung zu Befristung hangeln müssen. Diese Menschen können eigentlich nur dann zu etwas kommen, wenn Sie im Hartz 4 Bezug viele Kinder machen. Dann haben sie mehr als sie je mit Arbeit verdienen könnten. Und wenn sie dann erst über 40 sind, stellt sie sowieso keiner mehr ein – was sind das bloß für Politiker, denen unser Land so egal ist und die dies nicht lösen?

Ein bißchen Wissenschaft und Lebenswahrheit

Ich stehe übrigens mit meiner Meinung nicht allein da. Unbeeinflußte Forscher kommen zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Wenn wir bei den heute noch Fleissigen bleiben (die nur noch ca. 30 Jahre in sozialversicherter Arbeit schaffen), dann bezeichnen sie diese Menschen als neues „Dienstleistungsproletariat“ neben anderen betroffenen Gruppen.

Alles Hartz 4?

Ja so ist das und dann kracht alles ein.

Wer wissen will, wohin er geht, muß wissen, woher er kommt.

Und da kommt das Buch von Erich Grisar ins Spiel.

Wenn wir es lesen und anschauen sind wir mitten in europa im Jahr 1932.

Das Buch Mit Kamera und Schreibmaschine durch Europa von Erich Grisar ist der historische Spiegel, um uns heute historisch einzuordnen.

Ich bin von dem Buch sehr beeindruckt.

Man könnte aus diesem Buch viel lernen. Es ist nämlich nicht nur ein Zeitdokument sondern zeigt, was passiert, wenn so was passiert wie die Verarmung der Anständigen.

Die von Andrea Zupancic neu gestaltete Ausgabe zeigt mit Texten und vor allem vielen Fotos fast alles so wie wir es auch heute vor Ort in diesen Städten sehen können: arme Menschen auf den Straßen, betteln um zu leben und Städte in Bewegung.

Erich Grisar reiste mit seiner Frau durch viele europäische Städte, u.a. London, Warschau, Barcelona und einige mehr.

In den meisten dieser Städte finden wir heute wieder dieselben Motive. So ist dieses Reisetagebuch ein unglaublich aktuelles Dokument, um die Gegenwart im Verhältnis zur Vergangenheit besser einordnen zu können.

Die sozialen Fragen sind gleich geblieben, die Not und der Reichtum und die Gesichter der Armut.

Wir wissen, was wir tun müssen, um die Probleme zu begrenzen und vieles zu lösen.

Aber stattdessen predigen die Anhänger des Neoliberalismus die Freiheit zu hungern statt Freiheit durch soziale Sicherheit.

 

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