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Wichtigkeit und Grenzen lokaler Geschichtsschreibung

Ich möchte mit diesem Text eigene Eindrücke und Erfahrungen reflektieren. Viele andere Dinge zu diesem Thema im Bereich Geschichte vor Ort, Geschichte von unten etc. sind schon früher von anderen aufgeschrieben worden.

Die erste Erfahrung ist ganz einfach. Man kann nur das wissen, was aufgezeichnet wurde, schriftlich in Text und Bild, früher als Augenzeugenberichte, heute auch mit Fotos und Texten, wenn man nicht dabei war.

Die mündliche Überlieferung ersetzt dies nicht, kann aber manches ergänzen.

Diese Erfahrung habe ich gemacht als ich damals über die Geschichte der Bergischen Arbeiterbewegung mit Schwerpunkt Remscheid geschrieben habe. Im Stadtarchiv gab es nur Polizeiberichte über das Leben und Wirken dieser Menschen – sonst nichts. Die Sozialkassen waren anonym.

Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit erzielt man nur dann, wenn es öffentlich wird. Was im Verborgenen geschieht, weiß man nicht. Man weiß später nur noch das, was aufgezeichnet wurde und öffentlich ist, so daß andere es dann später noch sehen und/oder lesen können. So bereitet man die Chance auf politisches Bewußtsein vor.

Hier ist auch die Stelle, an der ich meine Erfahrungen sammeln durfte. Erst habe ich als Historiker darüber geforscht und festgestellt, daß soziale Kämpfe früher namenlos waren und nicht einmal aufgezeichnet wurden, so daß es gar keine sichtbare Tradition für Verbesserungen gab. Erst nach dem Erscheinen in Buchform konnte dann Bewußtsein wachsen.

Dann war ich später mit verschiedenen Tätigkeiten auch Akteur vor Ort und machte selbst die Geschichte vor Ort mit bis zu politischen und persönlichen Niederlagen. Auch dabei stellte ich fest, daß es keinen Chronisten gab, Aufzeichnungen nur ereignishaft in der Presse standen und überregional kein Interesse fanden.

Aber ich war davon bestimmt, weil es meine Lebenszeit und meine Lebenserfahrungen waren im Kampf gegen soziales Elend und Armut. So wurde es für mich als Betroffenen ein großes Thema, das für die Geschichtsschreibung insgesamt marginal blieb und über den lokalen Bezug hinaus keine mediale und politische Relevanz hatte.

Interessanterweise wurde mir dieser Spiegel vor kurzem vors Gesicht gehalten als ich ein Buch über Aktivitäten in Mannheim las. Es war für mich interessant als historische Aufarbeitung aber wen würde es darüber hinaus interessieren und Anregung für eigene Gedanken sein?

Genau diese Frage habe ich dann auch auf meine eigenen Aufzeichnungen und Bücher angewandt!

Da kommt dann das Gleiche bei raus.

Hier komme ich zur Frage von Erkenntnis und Interesse an lokalen Entwicklungen.

Konkret habe ich mir  die Liste der Großstädte in Deutschland rausgesucht und mich nun gefragt, wer aus den ganzen Städten soll Interesse an der Lokalgeschichte von Remscheid haben und wer aus Remscheid hat Interesse an der Lokalgeschichte der anderen Großstädte?

Ich würde sagen es ist sehr begrenzt.

Lokale Geschichte in Bild und Text ist unerläßlich, um überhaupt zu zeigen, was vor Ort geschehen ist. Das ist mehr als eine reine chronologische Sammlung.

Es ist themenorientierte Darstellung.

Aber die Wirkung ist sehr begrenzt. Erst wenn man vor dem Kanzleramt in Berlin ist oder vor dem WDR in Köln, werden Medien manchmal wach und zeigen diese Wirklichkeit. Dann erst fallen die Fragen an, die vor Ort enden. Die umgekehrte Wirkung war bisher leider kaum möglich – und wenn, dann nur in Großstädten.

Hinzu kommt noch etwas. Wenn man soziale Kämpfe, Niederlagen und soziale Wunden dokumentiert, tut dies den Betroffenen oft auch später noch weh. Die Reaktion besteht dann aus Schweigen oder sogar Ablehnung, weil die Wunden ja noch schmerzen in materieller und seelischer Art.

So kann nur die zeitliche Distanz helfen, das Ganze zurück in neue Köpfe zu bringen, die sich vielleicht auch fragen, ob alles so sein muß wie es ist und wenn warum oder warum nicht.

Genau hier schließt sich der Kreis.

Wenn es dann keine Aufzeichnungen gibt, gibt es auch keine Antworten aus der Vergangenheit mit Erfahrungen und Forderungen an die Zukunft.

Ob man daraus etwas lernt, ist wieder eine andere Frage, aber die sprengt den Rahmen dieses Textes.

Nun bin ich am Ende dieses Textes angekommen. Diese Gedanken gingen durch meinen Kopf und versuchen eine erste Antwort aus Erfahrung und Erkenntnis zu geben.

Mal sehen was daraus wird…

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