Veröffentlicht in Alle, Essay, Neuzeit

Sex reicht nicht – Globalisierung und Großmachtpolitik

Digitalisierung, Globalisierung und Neoliberalisierung sind die drei neuen Elemente einer Welt, die die Macht neu verteilt.

Sie ist genau so ungerecht wie früher und die Profiteure sind nur teilweise anders.

  • Die Digitalisierung hat dazu geführt, immer mehr Informationen überall schnell verbreiten zu können.
  • Die Globalisierung mit dem Zerstören von Schutzschranken hat dazu geführt, daß immer mehr Länder immer größere soziale Probleme haben.
  • Die Neoliberalisierung hat dazu geführt, daß die asozialsten Eigenschaften der Menschen auch in den Demokratien, die gekoppelt sind mit Menschenrechten, gesetzlich Vorrang vor sozialem Schutz erhalten.

Arbeit wird billig wie Dreck, wenige haben immer mehr, immer mehr haben immer weniger und die Zerstörung der Menschenrechte in den Verfassungen durch neoliberale Arbeitsgesetze wie Zeitarbeit, Niedriglöhne und fehlender Schutz bei Krankheit und Armut im Alter führen dazu, daß die Menschen sich vom Staat verabschieden und bei den Religionen oder woanders(?) ankommen.

Hinzu kommen die neuen alten Spiele der Großmächte, besser der alten und der neuen Großmächte.

Demokratie war immer nur für das eigene Land, drumherum war die Diktatur Teil des Systems. Das geschieht heute wieder nur sind außer Amerika und Russland auch China und Indien dabei.

Als die USA sich weigerten, Russland in Libyen nach Gaddafi einen Einflußbereich zu lassen, war dies der wohl größte Fehler einer alternden Großmacht.

Dieser Großmacht stehen nun neue Großmächte gegenüber. Beide haben keine Demokratiemodelle sondern Wohlstandmodelle. Putin regiert als Halbdiktator und die Partei in China regiert als Parteidiktatur. Beide brauchen weder Hedgefonds noch von Mckinsey oder Roland Berger (oder wie sie heissen) infiltrierte europäische oder deutsche neoliberale Politikratschläge.

Deren Interessen sind elitebestimmt unter anderen Voraussetzungen mit denselben Zielen: mehr für mich.

Und dennoch ist dies nur die halbe Wahrheit. Denn ein halber Diktator ist ehrlicher als eine Demokratie mit wenig Einfluss der Wähler und viel Einfluss der Berater und Beamten. Insofern ist die Frage der Demokratie eine Frage der Umsetzung des Wählerwillens.

Wenn in Deutschland eine 5 Prozent Partei, die FPD, über Jahrzehnte mehr Einfluss hat als die Oppositionsparteien mit 30 Prozent, dann ist dies genau so verlogen. Und wenn Beratungsgesellschaften es schaffen, den Wählerwillen auszuschalten und ihren Klientenwillen durchzusetzen, dann hat das mit Demokratie nichts mehr zu tun.

Das zeigt das Scheitern des Repräsentationsprinzip in der Demokratie, nicht der Demokratie.

Daran könnte man viel ändern.

Die Schweiz ist das einzige Vorbild, das bleibt. Demokratie bedeutet, die Menschen können durch Volksentscheide immer wieder das demokratische System erneuern und klar steuern – nicht über Nacht aber langfristig. Ein kluges Modell.

Und natürlich eine freie Presse und geschützte Meinungsfreiheit. Solange sie einigermassen frei ist. Wenn ihre Besitzer aber die neuen Hugenbergs in neoliberalen Zeiten sind, dann hiflt sie auch nicht. Deshalb ist es wichtig, eine freie Presse zu haben – gerade in schweren Zeiten.

Und nun?

Nun leben wir wieder einmal in einer geschichtsträchtigen Zeit und können sagen wir sind dabei gewesen.

Dieses mal ist es aber nicht die Französische Revolution und Goethes Campagne in Frankreich.

Dieses Mal ist es eine neue Welt, die entsteht und die noch keine Antwort auf die Fragen hat, die man ihr seit 30 Jahren stellt. Aber aus deutsch-europäischer Sicht wird es langsam ernst.

Denn unser Wohlstand ist in diesem zusammenbrechenden System rund um Europa mit materieller Wertelosigkeit als Lebensmuster nicht aufrecht zu erhalten.

Statt Banken zu retten sollten Politiker, die noch etwas Zukunft wollen, nun die Demokratien in Europa retten. Denn sie selbst wären doch die ersten Schlachtopfer.

Dazu gehören Gesetze, die endlich wieder Wohlstand, Ausbildung und Arbeit für alle ermöglichen. Es ist die einfache Rückkehr zur Absicherung bei Arbeitslosigkeit und im Alter und neu sollte der Anspruch auf Ausbildung und gemeinwohlorientierte Arbeit für Arbeitslose sein, sozialversichert und anständig bezahlt.

Das löst Integrationsprobleme, gibt der Jugend Zukunft und Einbindung in die Demokratie und ermöglicht eine lebendige Alternative zu religiösem Fanatismus und Diktaturmodellen. Die Fackel der Freiheit würde leuchten auf dem Boden der sozialen Sicherheit und der Beteiligung auf Augenhöhe.

Das bedeutet aber auch die Abschaffung der bösartigen und perversen Hartz 4 Gesetze, die Menschen durch das Aufzehren ihrer Ersparnisse in Armut treiben, Kinderkriegen belohnen und Arbeit unter dem Existenzminimum erzwingen, wenn man keine Kinder kriegt.

Das ist der Geist, der auch gutmütige Menschen zu Fanatikern machen wird.

Das kann man aus der Geschichte lernen. Das ist auch möglich.

Aber es wird nur gehen, wenn man denen etwas wegnimmt, die aktuell von der Situation profitieren.

Gerechtigkeit kommt nicht von selbst und das Zähmen der internationalen Konzerne und des internationalen Finanzsystems ist die einzige Möglichkeit, um nicht im absoluten subkutanen Kriegszustand zerrieben zu werden.

Wenn immer mehr Länder Interkontinentalraketen haben um sich mit Atomsprengköpfen zu zerstören, dann ist die Bedrohung groß aber sinnlos.

Die Teilverseuchung der Welt ist nach Tschernobyl und Fukushime schon da und nicht begrenzbar.

Selbst Krieg als Lösung scheidet aus, weil man Strahlung nicht bekämpfen kann, weder religiös noch finanziell.

Es wird nicht so weitergehen, wenn es so weitergeht.

„Oberstes Ziel ist das Überleben, gefolgt von Sex.” So der Psychoanalytiker Paul Verhaeghe.

Ficken reicht aber nicht mehr, um uns über den Stand der Tiere zu erheben.

Das kann nur eine Lösung sein, wenn man nicht mehr weiter weiß.

Es wird nicht reichen, wenn wir mehr wollen und die Höhle des neuen Neandertalers gegen eine gemeinsame soziale Welt eintauschen möchten.

Dann brauchen wir eine Rückbesinnung auf das, was gut war.

Soziale Sicherheit, Anerkennung von Völkern und Kulturen und ihren Eigenheiten, klare Regeln für klare Leistungen und Werte, die wir leben wollen.

Es ist auch eine Erfahrung, daß erst nach einem Krieg Banken und industrien und Medienkonzerne vergesellschaftet oder zerschlagen werden, weil man sieht, was sie angerichtet haben.

Nun gut, jetzt haben wir den Salat.

Ich habe 30 Jahre erlebt, daß Menschen eben nicht im Vorfeld so handeln, damit Katastrophen nicht eintreten, sondern das Gegenteil der Fall ist.

Mein Engagement für Aufklärung über 30 Jahre ist gescheitert und deshalb kann ich so frei darüber schreiben, weil ich mich endlich jenseits der Illusionen bewege.

Das tut nicht so weh wie gedacht aber es ist doch schmerzhaft. Ich hätte mir eine bessere Welt gewünscht und deshalb habe ich hier noch mal aufgeschrieben, wie einfach es wäre, dorthin zu kommen.

Be happy!

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Viele, viele bunte Nazis? – Der Bergische Löwe und das Geschichtsbewusstsein in Remscheid

 Anmerkungen zum Thema Öffentlicher Raum als Heimat

„Das Vertraute und Wiedererkennbare, das physisch Fassbare, an das Erinnerungen geknüpft werden und welches Gefühle auszulösen vermag: In unserem „kollektiven Gedächtnis“ sind sie, so der Philosoph Maurice Halbwachs, unverzichtbar.“

Dieser Gedanke von Robert Kaltenbrunner passt gut auf das Beispiel von Remscheid und die Remscheider Löwenparade 2014 und was dabei schief gehen kann, wenn man in historischer Unkenntnis bzw. Verkennung handelt.

Denn es kommt auf die richtige Zuordnung und die historische Wahrheit an.

Als im Jahr 1939 das Löwendenkmal auf dem Remscheider Rathausplatz eingeweiht wurde, war es ein nationalsozialistisches Kampfsymbol. Das sollte auch der Löwe zum Ausdruck bringen.

Zur Einweihung am 1. Mai versammelten sich 27.000 NSDAP Mitglieder aus Remscheid auf dem Rathausplatz. Das Foto ist auf dem Cover des Buches abgebildet.

Remscheid in der Zeit des Nationalsozialismus herausgegeben von Michael Mahlke
Remscheid in der Zeit des Nationalsozialismus herausgegeben von Michael Mahlke

Nun bietet die Architektur in Remscheid zunehmend keine Orientierung mehr.

„Denn alles was Stadtplanung bewirkt, bringe irgendwelchen Leuten Vorteile und anderen Nachteile. Damit aber müsse man „umgehen“. Und die Architektur übernimmt als räumliches System noch immer Ordnungsaufgaben innerhalb der Gesellschaft. Nur muss man sich dessen neu bewusst werden… Denn was sich seit 1945 urbanistisch durchsetzte – und nach wie vor gilt -, ist eine aus dem Funktionalismus abgeleitete Analyse- und Planungstechnik.

Sie ermöglichte und beförderte die Herausbildung unserer heutigen Siedlungsstruktur. Und das einzelne Haus wurde zum Bestandteil der Megamaschine Stadt, die durch ihre vielfältigen Ver- und Entsorgungstechnologien den Haushalt von zahlreichen Arbeiten entlastete, aber um den Preis einer immer stärkeren Belastung der natürlichen Umwelt.“

So Robert Kaltenbrunner in seinem Text zum Thema Raum und Heimat weiter.

Obwohl der Text ohne Kenntnis und Wissen von Remscheid geschrieben wurde, spiegelt sich faszinierenderweise genau dieser Funktionalismus in Remscheid sehr stark wieder.

Foto/Grafik: Michael Mahlke
Foto/Grafik: Michael Mahlke

Das ist aber noch nicht alles. Der Aspekt des Bewahrens ist dabei gerade in einem besonderen Spektakel zu sehen.

Ein Denkmal auf dem Rathausplatz wird als „Vorbild“ genutzt, um Bewahren und Identität zu bilden. Gerade die Symbolik ist dabei ja entscheidend.

Man nimmt ein von Nazis gemachtes Symbol als neues lokalpatriotisches Schlüsselsymbol für Remscheid.

In völliger Unkenntis oder Verkennung der geschichtlichen Bedeutung (Stadtarchiv ?) wurde hier eine Aktion geplant, die sich ohne Fachwissen oder echte Recherche als Event nach außen darstellen soll.

Wenn man sich überlegt, wie sonst ein erheblicher Teil der Öffentlichkeitsarbeit in Remscheid betrieben wird und welche Agenturen hier tätig sind, ist dies sehr bemerkenswert.

Als ob das nicht genug wäre, wurden schon im letzten Kommunalwahlkampf Löwen genutzt, um einen neuen Lokalpatriotismus aufzubauen. Die Bezüge zum Rathausdenkmal waren unübersehbar.

Die neue Remscheider Löwenparade 75 Jahre nach der ersten Löwenparade ist das Ergebnis dieses nicht vorhandenen historischen Bewusstseins.

Da es vor dem Rathaus steht und dies so geschehen ist, hat wahrscheinlich im Rathaus (und im Stadtrat?) niemand etwas davon gewusst?!

Plakativ symbolisiert “ der mißbrauchte Bergische Löwe“ genau den Zusammenhang. Gisela Schmoeckel hat dies in ihrem verlinkten Artikel wunderbar sachlich dargestellt.

Auf dem hier zu sehenden Plakat „Stolz auf Remscheid“ der SPD aus dem Kommunalwahlkampf 2014 sehen Sie übrigens beide Löwen. Der große Löwe erinnert sofort an das Rathausdenkmal der Nazis („Stolz auf Remscheid“!). Der Löwe auf der offiziellen gelben Plakette der Stadt zeigt den Bergischen Löwen, der aufrecht steht, so wie es Gisela Schmoeckel beschrieben hat.

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Wie massiv damit geworben wurde und wie umfänglich das war, sieht man hier ganz gut.

Wie man mit der Vergangenheit besser hätte umgehen können, formuliert sehr konstruktiv Christian Peiseler:

„Einfach ein Denkmal zu kopieren, das die Nationalsozialisten für ihre Herrenmenschen-Ideologie missbraucht haben, ist doch irgendwie recht simpel und einfallslos. Mit ein paar feinen Ideen hätte sich bestimmt leicht ein anderer Prototyp des Bergischen Löwen formen lassen, einer der freundlicher, weltoffener und gewitzter ist. “

Aber genau so ist es bisher nicht geschehen.

Dabei wachsen nun natürlich Fragen, die man hätte vermeiden können: Damals kamen 27.000 NSDAP-Mitglieder. Wie viele Menschen kommen heute? Wie viele davon sind …? Was werden sie zeigen? Kreatives Miteinander auf der Grundlage eines Nazi-gemachten Symbols? Viele, viele bunte Nazis? Der Beginn der Wiederkehr in anderer Form?

Gegenwart hat viel mit Geschichte zu tun. Wer wissen will, wohin er geht, muß wissen, woher er kommt. Hier wäre auch der Punkt gekommen, an dem über die niedrige Wahlbeteiligung (30%) bei der letzten Bürgermeisterwahl gesprochen werden müßte und ich fragen würde, ob es in Remscheid überhaupt politische Bildung gibt und wer dafür verantwortlich ist?

Denn es geht nicht um Löwen an sich sondern um diesen Löwen als Symbol für Ausgrenzung, Verfolgung, Krieg (wohin blickt er wohl?) und vieles mehr. Aber das spare ich mir.

Das Schlimmste wäre allerdings das Totschweigen. Das geht nicht mehr, weil es hier und woanders schon steht und darüber kein Gras wachsen würde sondern dies alles vielfach dokumentiert und publiziert würde.

Es ist in jedem Fall eine Konfrontation mit der Geschichte, die anders hätte stattfinden können und müssen, kreativer, historischer, weiterführender und politisch bewußter – auch in Schulen und im Stadtrat. So wurde daraus ein Lehrstück für fehlendes Geschichtsbewusstsein und historische Ignoranz:

Die lokale NS-Geschichte wurde in jedem Fall im öffentlichen Bewusstsein nicht aufgearbeitet trotz vorhandener Informationen (sogar online) und nun kommt sie hoch.

Nachtrag im Oktober:

Als ob dies alles nicht reichen würde. Die Wirklichkeit schlägt jede Phantasie. Nun wurden diese Löwen zusätzlich noch an den Verkehrsknotenpunkten in Remscheid aufgestellt.

Mehr dazu hier.

Als ob dies nicht genug ist hat die Verwaltung auch beschlossen, daß dieser „Kotzbrocken in Löwenform“ dauerhaft als Marketingobjekt überall aufgestellt  bleiben soll.

Und manche Kommentare bestätigen diesen Artikel hier so eindrucksvoll, daß sich jeder weitere Kommentar erübrigt. Ob es sich dabei eher um fehlendes Geschichtsbewusstsein oder das Relativieren historischer Wahrheit oder das Verleugnen historischer Tatsachen handelt und welches Interesse dahinter steht, wer weiß!

Text 1.3

Veröffentlicht in Altertum

Das Alte Rom. Leben und Alltag von Nancy H. Ramage und Andrew Ramage

Wie kann man Geschichte interessant machen ohne in Anekdoten abzugleiten? Die Autoren  des Buches „Das Alte Rom. Leben und Alltag“ Nancy und Andrew Ramage haben die Exponate im Britischen Museum, die in über 250 Jahren gesammelt wurden, genutzt, um damit Einblicke in die Welt der Römer zu geben.

Zugleich wählten sie den Weg, in essayhafter Form und damit sehr lesenswert alle wesentlichen Themen der damaligen Zeit darzustellen.
„Das Alte Rom. Leben und Alltag von Nancy H. Ramage und Andrew Ramage“ weiterlesen

Veröffentlicht in Alle, Neuzeit, Zeitgeschichte

Unterwegs in den Osten von Jáchym Topol und Karel Cudlin

Das Buch ist beeindruckend. Es ist ein kleiner Schatz der Fotografie und Literatur. Dieses Buch ist dokumentarische Fotografie und dokumentarische Literatur und Geschichtsbuch in einem Band.

Wer jemals im Osten vor 1989 war und/oder auch in der Tschechoslowakei, der findet hier wieder, was man selbst gesehen hat und noch viel mehr. Denn das Buch berichtet über die Zeit bis 1989 und die Zeit nach 1989.
„Unterwegs in den Osten von Jáchym Topol und Karel Cudlin“ weiterlesen

Veröffentlicht in Alle, Altertum, Zeitgeschichte, Zitate

Populationen der Steinzeit

Die Populationen der Steinzeit lebten gesünder als die meisten Völker, die ihnen nachfolgten: Zur Zeit der Römer gab es mehr Krankheit in der Welt als je zuvor, und selbst im England des früheren neunzehnten Jahrhunderts dürfte die Lebenserwartung von Kindern kaum höher gewesen sein als schon vor 20000 Jahren.
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Veröffentlicht in Alle, Altertum, Neuzeit, Zeitgeschichte, Zitate

Der Niedergang Europas

„Die Macht des Heeres war die Macht der Heerführer, die immer wieder ihre Stellung mißbrauchten, um als Imperator oder Gott-Kaiser an die oberste Spitze zu gelangen.

(Moral: Das Heer hätte, wie in der guten alten Zeit, ein Bürgerherr sein müssen, geführt von loyalen Bürgern, nicht ein Heer teils von Söldnern, teils von widerwillig Hineingezwungenen, teils sogar von Nicht-Römern, von Germanen.)
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